Kapitalanlage- und Betreuungsrecht: Die Beteiligung eines Betreuten an einem Schiffsfonds durch Betreuer bedarf vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung gem. § 1822 Nr. 3 BGB (Dezember 2012)

Der Fall

Ein Anlageberater hatte einer im Zeitpunkt der Vermittlung bereits 72 Jahre alten, schwerkranken und wegen erheblich vermindertem körperlichen und geistigen Gesundheitszustandes unter Betreuung stehenden Witwe zwei Beteiligungen an zwei Schiffsfonds bei der HSCI Shipping Protect II angeboten. Ohne die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (heute: Familiengericht) einzuholen, zeichnete der für sie bestellte Betreuer beide Beteiligungen. Es handelte sich in beiden Fällen um hochspekulative Anlagen mit einer Laufzeit von 16 Jahren. Das Landgericht Stuttgart hat in einem bemerkenswerten Urteil vom 07.05.2012, Az. 2 O 190/10, die beiden beteiligten Fondsgesellschaften zur Rückzahlung der Einlagen und den Vermittler der Anlage sowie den Betreuer gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verurteilt. Das sehr sorgfältig begründete Urteil behandelt einige für das Betreuungsrecht interessante Fragen, die hier kurz referiert werden sollen.

Genehmigungspflicht bei Schiffsanlagemodellen

Das Landgericht hat die Beteiligungen an den beiden Schiffsfonds gemäß §§ 1908i, 1822 Nr. 3 BGB für genehmigungsbedürftig gehalten. Nach den genannten Vorschriften unterliegen Verträge, die auf Beteiligung eines Betreuten an einem Erwerbsgeschäft gerichtet sind, der Genehmigungspflicht durch das Vormundschaftsgericht, jetzt Familiengericht. Zwar ging es in dem entschiedenen Fall nicht um unmittelbare Beteiligungen an einem Erwerbsgeschäft. Vielmehr handelte es sich bei dem einen Fonds um eine Kommanditgesellschaft, die sich ihrerseits an 30 Schiffsgesellschaften beteiligte, und bei dem anderen Fonds um eine weitere Kommanditgesellschaft, die Schuldscheindarlehen, Zerobonds und Inhaberschuld-verschreibungen hielt. Es handelte sich daher um mittelbare Beteiligungen an Erwerbsgeschäften über zwei Dachfonds. Das Landgericht Stuttgart hatte keinen Zweifel daran, dass auch solche mittelbaren Beteiligungen an einem Erwerbsgeschäft unter § 1822 Nr. 3 BGB fallen.

Es hat hierzu auf ein Urteil des BGH vom 30.04.1955 zurückgegriffen (BGH NJW 1955, 1067 = Z 17, 160 ff). In diesem Urteil hatte der BGH die Genehmigungspflicht für Kommanditbeteiligungen aus Gründen der Rechtssicherheit ohne Einschränkung festgestellt und ausgeführt, dass es auf die Einzelgestaltung einer Kommanditbeteiligung nicht ankommen könne. Diesen Grundgedanken hat das Landgericht aufgegriffen und auch auf die Beteiligungsgesellschaften angewendet. Insbesondere einer für den Bestand der Beteiligung abgegebenen Garantie durch die HSH Nordbank AG hat es keine Bedeutung beigemessen.

Keine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts durch Entgegennahme des Jahresberichts

Die Beklagten hatten in dem Fall eingewendet, dass das Vormundschaftsgericht (Familiengericht) den Beitritt zu den beiden Schiffsfonds dadurch genehmigt hätte, dass es den Jahresbericht des Betreuers über die persönlichen Verhältnisse der Betreuten, in dem die Beteiligungen aufgeführt waren, entgegengenommen und nicht beanstandet hatte. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass hierin eine Genehmigung iSd § 1822 BGB nicht zu sehen sei. Es hat weiter ausgeführt, dass eine erteilte Genehmigung erst wirksam wird, wenn der Betreuer diese dem Vertragspartner mitteilt, § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Vormund/Betreuer bei einer erteilten Genehmigung die Möglichkeit und das Recht, seine Entscheidung für einen Vertrag zu revidieren. Der Vormund/Betreuer darf nach pflichtgemäßem Ermessen auch unter Berücksichtigung inzwischen eingetretener Umstände entscheiden, ob er dem Vertragspartner die Genehmigung überhaupt mitteilt: Palandt, § 1829 Rz 1 mHa RGZ 132, 257. Ausdrücklich soll der nach § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB hinausgeschobene Wirksamkeitszeitpunkt im Verhältnis zum Geschäftsgegner dazu dienen, dem Vormund nochmals Gelegenheit zur Prüfung des Vertrages im Interesse des Mündels zu geben. Er ist bis zur Mitteilung bei dem Vertragsgegner in seiner Entscheidung frei, ob er an einem Vertrag festhalten will oder nicht, Palandt, aaO, Rz 3 mHa BGHZ 15, 97. Ein Betreuer darf daher bis zur Abgabe der letzten notwendigen Erklärung oder Vornahme der letzten notwendigen Handlung überlegen, ob ein Vertrag Wirksamkeit erlangen soll oder nicht.

Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht anwendbar

In den Fällen geschäftsunfähiger oder beschränkt geschäftsfähiger Personen, bei denen die Notwendigkeit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen besteht, sind die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht anzuwenden. Umstritten ist, ob diese Grundsätze bei mittelbaren Beteiligungen an Schiffsfonds überhaupt anwendbar sind. Das Landgericht Stuttgart hat jedoch klargestellt, dass diese Grundsätze jedenfalls bei vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung nicht anwendbar seien. Hier gehe der Schutz der Betreuten dem Verkehrsschutz nach herrschender Meinung vor: siehe Baumbach/Hopt, HGB, 34. Auflage, 2010, § 105 Rz 84, BGHZ 17, 166; NJW 83, 748; BayObLG DB 77, 860; Ulmer-Schäfer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Partnerschaftsgesellschaft, 5. Auflage, 2010, § 705 Rz 335.

Haftung des Betreuers

Nach dem Landgericht Waldshut-Tiengen (Urteil vom 30.10.2007, Az. 1 O 336/06) hat auch das Landgericht Stuttgart die Haftung eines Betreuers bejaht, wenn er die vormundschaftsgerichtliche/familiengerichtliche Genehmigung vor einer Kapital-anlagebeteiligung nicht einholt. Hierin liege eine schuldhafte Pflichtverletzung seiner Betreuungspflichten. Es hat ausgeführt, dass der Betreuer gemäß §§ 1908i Abs. 1, 1806, 1807 BGB das zum Vermögen des Betreuten gehörende Geld verzinslich in der in § 1807 BGB näher beschriebenen mündelsicheren Form anzulegen hat. Zwar könne das Vormundschaftsgericht/Familiengericht gemäß § 1811 BGB auch eine andere Anlage gestatten. Die Anlage in Fonds sowie die Beteiligung an Personengesellschaften stelle nach allgemeiner Ansicht aber keine verzinsliche Anlage iSd § 1806 BGB dar und bedürfe daher der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. Bei größeren Vermögen werde die Genehmigungsfähigkeit einer solchen Anlage zwar nicht generell für ausgeschlossen erachtet. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass es den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspreche, bei größeren Vermögen eine Streuung auf unterschiedliche Anlagearten vorzunehmen (OLG Frankfurt, NJW-RR 2002, 1660, Palandt-Diederichsen, BGB, 71. Auflage, § 1811, Rn 3). Im entschiedenen Fall betrug der angelegte Betrag über 60% des Barvermögens der Betreuten. Diese Investition in nur einen Schiffsfonds entspreche nicht den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung, so das Gericht, weil die gebotene Streuung auf mehrere Anlageformen nicht berücksichtigt worden sei. Außerdem hatte die Anlage auch noch eine Laufzeit von 16 Jahren, so dass die Betreute erst im Alter von 88 Jahren wieder in den Genuss ihres Kapitals gekommen wäre.

OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2012, Az 7 U 98/12

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Entscheidung des Landgerichts durch das o.g. Urteil im Punkt Genehmigungsbedürftigkeit der Beitrittsverträge bestätigt. Es hat sich der grundlegenden Entscheidung BGHZ 17, 160 und dem folgenden BayObLG Rpfl 77, 60; OLG Frankfurt NJW-RR 99, 739; NJW-RR 08, 1568; OLG Bremen NJW-RR 99, 876; OLG Zweibrücken FamRZ 01, 181, angeschlossen. Danach ist die Beteiligung eines Minderjährigen an einer Kommanditgesellschaft, und sei es auch nur als Kommanditist oder mittelbar oder als Unterbeteiligung stets nach § 1822 Nr. 3 BGB genehmigungsbedürftig.

Offen gelassen hat das OLG die Frage, ob der Betreuer seine Pflichten durch Nichteinholung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, jetzt Familiengerichts, verletzt hatte, weil der Erbe der Betreuten aufgrund bestimmter anderer Umstände dieses Einzelfalles gegen den Betreuer nach Treu und Glauben keine Ansprüche herleiten könnte.

Das Urteil ist rechtskräftig.



Eingestellt am 21.05.2012 von P. Bognár , letzte Änderung: 20.02.2013
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